Erkrath. In diesem Jahr hat der Bundesverband Menschen für Tierrechte den Hund in der Chemikalien- und Arzneimitteltestung zum Versuchstier des Jahres ernannt. Mit der Ernennung will der Tierrechtsverband zum einen auf das versteckte Leid der Tiere in den Laboren aufmerksam machen. Zum anderen will er aufzeigen, dass der entschiedene Einsatz einer Kombination aus tierversuchsfreien Verfahren schon jetzt viele qualvolle Versuche mit Hunden beenden könnte.
Die erschütternden Undercover-Bilder aus dem Laboratory of Pharmacology and Toxicology (LPT) im niedersächsischen Mienenbüttel haben eindringlich gezeigt, was Hunde in Pestizid- und anderen Giftigkeitstests teilweise erleiden müssen. Der Hund wird neben der Ratte besonders häufig in gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuchen eingesetzt. Und die Zahlen steigen: 2018 mussten insgesamt knapp 4.000 Hunde in den Versuch. Das entspricht einem Anstieg von fast 20 Prozent gegenüber 2017 1.
Chemikalientestung tierversuchsfrei möglich
Mehr als die Hälfte der Hunde wurden 2018 in Langzeit- und Stoffwechseltests eingesetzt. Erstere untersuchen, wie sich ein potenziell giftiger Stoff nach monatelanger, täglicher Gabe im Körper auswirkt. Dabei wird den Tieren die Substanz täglich mit einem Pillengeber oder über eine Magensonde verabreicht. Am Ende der Tests werden die meisten Tiere getötet, um ihre Organe zu untersuchen. Nach Ansicht des Tierrechtsverbandes ist das besonders empörend, weil einige dieser qualvollen Tests ersetzt werden könnten: „Wenn der Wille da wäre, könnten bereits heute die 90-Tage-Studien an Hunden in der Chemikalientestung möglicherweise beendet werden. Eine tierversuchsfreie Teststrategie 2 könnte das Leid der Tiere beenden und zuverlässigere Ergebnisse liefern“, kritisiert die Biologin Dr. Christiane Hohensee, Fachreferentin für tierversuchsfreie Verfahren beim Bundesverband Menschen für Tierrechte.
Herzgiftigkeit: Neue Teststrategie kann Hunde-Versuche beenden
In der Arzneimittelentwicklung wird der Hund häufig in der Herzforschung eingesetzt. Er leidet für Bluthochdruckmedikamente, bei Implantationen von Herzüberwachungsgeräten und in Herzgiftigkeitstests. Dabei implantieren die Forscher den Tieren Transmitter und EKG-Elektroden und messen die Herzreaktion auf Medikamente. „Es ist aus wissenschaftlicher und aus ethischer Sicht inakzeptabel, dass der Hund noch immer in Herzgiftigkeitstests eingesetzt wird. Denn auch hier steht längst eine tierfreie Teststrategie mit Herzzellen aus humanen induzierten pluripotenten Stammzellen und in-silico-Methoden zur Verfügung“, sagt Dr. Christiane Hohensee.
Giftigkeitstests: USA und Niederlande wollen aussteigen
Während die Zahl der Versuche mit Hunden in Deutschland steigt, haben die Niederlande und die USA konkrete Ausstiegsdaten gesetzt, um die Giftigkeitstests an Säugetieren zu beenden. Nach dem bereits 2016 vorgestellten niederländischen Abbauplan könnten Tierversuche für regulatorische Sicherheitstests von Chemikalien, Lebensmittelzusätzen, Pestiziden sowie Tier- und Humanmedizinprodukten bis 2025 beendet werden 3. Die USA verabschiedeten 2019 eine Richtlinie die vorschreibt, die Zahl der Giftigkeitstests an Säugetieren bis 2025 um 30 Prozent zu reduzieren 4. Bis 2035 sollen die sogenannten Toxizitätstests in den USA beendet werden.
Unzuverlässig: Risikoabschätzung auf Basis von Tierversuchen
„Es ist völlig unverständlich, warum Deutschland den Initiativen der USA und der Niederlande nicht folgt. Wenn Deutschland schon keinen eigenen Ausstiegsplan auflegt, so könnte es die Niederlande zumindest unterstützen. Hinzu kommt, dass die Regierung noch immer auf eine Risikoabschätzung auf Basis von unzuverlässigen Tierversuchen setzt. Dies könnte nicht nur die Bevölkerung bei der Arzneimittelentwicklung gefährden; Deutschland droht dadurch auch den Anschluss bei der Entwicklung neuer humanspezifischer Verfahren zu verpassen“, schließt Hohensee.
Quellen
1. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): Versuchstierzahlen 2018: www.bmel.de
2. Die 90-Tage-Studien an Hunden bei der Chemikalientestung können mit einer tierversuchsfreien Teststrategie ersetzt werden. Dieser arbeitet mit einer Kombination aus in-vitro-Methoden mit Zellen, Geweben oder Organchips mit bereits bestehenden Informationen, Datenbanken, Stoffgruppierungscharakterisierungen, epidemiologischen Daten sowie Computeralgorithmen.
3. Abbauplan der Niederlande unter: www.ncadierproevenbeleid.nl
4. Die vollständige Richtlinie der EPA unter: www.epa.gov