Viele Tiere bringen eine Geschichte mit
PETA-Expertin gibt Tipps

Stuttgart. Rund fünf Millionen Hunde leben in deut­schen Haushalten. Und vie­le der Tiere haben – oft­mals uner­kannt – mit Traumafolgen zu kämp­fen. Unfälle, eine zu frü­he Trennung von der Mutter, Zwangsverpaarungen bei Züchtern oder die Unterbringung von soge­nann­ten Straßenhunden in aus­län­di­schen Tötungsstationen kön­nen zu Symptomen füh­ren, die die betrof­fe­nen Vierbeiner ein Leben lang beschäf­ti­gen. Oft wer­den die Anzeichen von Hundehaltern nicht erkannt oder miss­in­ter­pre­tiert. PETA-Fachreferentin und Tierpsychologin Jana Hoger erklärt, wie Traumafolgestörungen bei Hunden aus­se­hen kön­nen und was den Tieren hilft, um ein sta­bi­les und glück­li­ches Leben zu führen.

„Wie Menschen auch, kön­nen Hunde Traumafolgestörungen ent­wi­ckeln. Es ist wich­tig, die Symptome zu erken­nen, auf sie ein­zu­ge­hen und den Tieren zu zei­gen, dass sie ihren Haltern ver­trau­en kön­nen“, so Jana Hoger. „Durch behut­sa­mes Verhaltenstraining las­sen sich Ängste und Stress bewäl­ti­gen. So kön­nen Hunde ler­nen, sich auf ihre Menschen zu ver­las­sen und bes­ser zu entspannen.“

PETA gibt Tipps

  • Trauma-Symptome erken­nen: Traumatisierte Hunde sind oft ängst­lich und miss­trau­isch. Die Reaktionen tre­ten ent­we­der per­ma­nent oder nur in bestimm­ten Situationen auf. Tiere sind bei­spiels­wei­se anhal­tend „auf der Hut“, sichern ihre Umgebung oder reagie­ren sehr schreck­haft auf nor­ma­le Geräusche. Weitere mög­li­che Traumasymptome sind Zittern, ver­mehr­te Unterwürfigkeit, Speicheln in spe­zi­fi­schen Situationen, Aggressionsverhalten, Unsauberkeit, Selbstverletzung und ste­reo­ty­pe Bewegungsmuster wie das Jagen des eige­nen Schwanzes. Reize wie Töne oder Gerüche sind poten­zi­el­le „Trigger“ und kön­nen schlag­ar­tig an das belas­ten­de Ereignis erin­nern. Ein spe­zi­fi­scher Laut oder schon eine unbe­dach­te Handbewegung kön­nen häu­fig eben­so poten­zi­el­le Auslöser sein. Auch wenn sich nicht alle Aspekte über­tra­gen las­sen, bezeich­net man die Symptome ana­log zur Erkrankung beim Menschen als „Posttraumatische Belastungsstörung“.
  • Corgi-MixTrauma-Auswirkungen ver­ste­hen: Viele trau­ma­ti­sier­te Hunde mei­den bewusst bestimm­te Situationen, um Trigger zu umge­hen. Sie möch­ten etwa den Trainingsplatz nicht betre­ten oder ins Auto stei­gen. Andere haben Albträume, schrei­en, zap­peln und win­seln über­mä­ßig im Schlaf. Einige der Tiere zei­gen Schwierigkeiten in der Gefühlsregulation, reagie­ren also sehr stark auf Reize. Es kann auch zu ambi­va­len­tem Verhalten gegen­über Bezugspersonen kom­men: Tiere suchen die Nähe und ent­fer­nen sich plötz­lich wie­der, spie­len sehr grob oder zei­gen eine ver­min­der­te Beißhemmung. Auch gegen­läu­fi­ge Entwicklungen sind mög­lich: Manche trau­ma­ti­sier­te Hunde wech­seln kurz nach dem trau­ma­ti­schen Ereignis in einen Zustand der ver­min­der­ten Reaktion. Sie inter­es­sie­ren sich weit weni­ger für ihre Umwelt, für Spiele, Nahrung, Reize, ver­lie­ren an Gewicht, schla­fen sehr viel und bewe­gen sich wenig. Auch Hunde, die ruhig und freund­lich erschei­nen, kön­nen größ­tem Stress aus­ge­setzt sein, sie erstar­ren förmlich.
  • Wann Symptome abklä­ren? Trauma-Auswirkungen sind auch für Hunde eine gro­ße Belastung. Wenn eini­ge oder meh­re­re der beschrie­be­nen Symptome beim Familienhund auf­fal­len, soll­te zeit­nah eine tier­ärzt­li­che Praxis auf­ge­sucht wer­den. Dort wer­den die Tiere erst ein­mal umfas­send kör­per­lich unter­sucht. Denn man­che Anzeichen kön­nen auch kör­per­li­che Ursachen wie Schmerzen oder eine Stoffwechselstörung (Schilddrüsenunterfunktion) haben. Außerdem soll­ten Menschen das Verhalten der Hunde mög­lichst genau beschrei­ben, hilf­reich sind auch Fotos oder Videos, die in die Praxis mit­ge­bracht wer­den kön­nen. Haben Tierhaltende eine Ahnung, was den Hund trau­ma­ti­siert haben kann, soll­ten sie die­se unbe­dingt mit­tei­len. Bei Verhaltensproblemen sind Hintergrundinformationen zur Geschichte des Hundes sehr wichtig.Achtung: Manche Hunde sind der­art gestresst, dass sie bereits im Vorfeld leich­te angst­lö­sen­de Medikamente benö­ti­gen oder außer­halb der Praxis – bes­ten­falls im gewohn­ten Umfeld – unter­sucht wer­den müssen.
  • Behandlung trau­ma­ti­sier­ter Tiere: Wenn kör­per­li­che Ursachen aus­ge­schlos­sen wer­den konn­ten und das Problem ein­ge­grenzt wur­de, kann mit der Behandlung begon­nen wer­den. In der Regel sind spe­zi­ell aus­ge­bil­de­te Fachtierärzte für Verhaltensmedizin die pas­sen­de Adresse, aber auch Tierverhaltenstrainer, spe­zia­li­sier­te Hundeschulen und Tierpsychologen. Die tier­ärzt­li­che Praxis des Vertrauens hilft ger­ne bei der Suche nach einem qua­li­fi­zier­ten Kollegen oder einer qua­li­fi­zier­ten Kollegin. Je frü­her nach dem medi­zi­ni­schen Check mit einer Verhaltenstherapie begon­nen wird, des­to bes­ser las­sen sich die Probleme für gewöhn­lich lösen. Bei ein­ge­schlif­fe­nen Verhaltensweisen kann das Training lang­wie­ri­ger wer­den. Sind der oder die Trigger, die einem Tier beson­ders zuset­zen, bekannt, kann mit­hil­fe eines spe­zi­el­len Trainings ver­sucht wer­den, die Reize suk­zes­si­ve zu ent­schär­fen. Auch Änderungen des Tagesablaufs, der Wohnungseinrichtung oder ein Verhaltenstraining bei­spiels­wei­se beim Spaziergang kön­nen hilf­reich sein. Zur Unterstützung wäh­rend der Behandlung, manch­mal aber auch über einen län­ge­ren Zeitraum, hel­fen bis­wei­len Medikamente. Sie wir­ken etwa angst­lö­send und geben trau­ma­ti­sier­ten Tieren manch­mal erst die Gelegenheit, sich zu ent­span­nen und etwas Neues zu lernen.
  • Tipps für zu Hause: Traumatisierte Hunde brau­chen einen siche­ren Rückzugsort, an dem sie nicht gestört wer­den dür­fen. Außerdem müs­sen sie sich auf ihre Halter ver­las­sen kön­nen. Klare Alltagsroutinen ver­hel­fen den Tieren zu mehr Entspannung und Ruhe. Auch Erfolgserlebnisse sind wich­tig. Was kann der Hund beson­ders gut, was macht ihm Spaß? Erfolgreiche Schnüffelspiele kön­nen unter ande­rem das Selbstbewusstsein stär­ken. Traumatisierte Tiere benö­ti­gen das Gefühl, dass sie selbst­wirk­sam sind und mit­ge­stal­ten kön­nen, wie ihre Umwelt sich ver­hält – etwa, dass sie für erwünsch­tes Verhalten belohnt wer­den. Am Ende einer Trainingseinheit oder bei einem ungu­ten Ereignis im Alltag soll­ten Tierhaltende ver­su­chen, mit einem posi­ti­ven Erlebnis zu schlie­ßen. So behal­ten die Tiere die Situation in bes­se­rer Erinnerung.

PETA wünscht allen Tierhaltenden und Tieren
viel Kraft und Erfolg bei der Traumabewältigung!