Auch hohe Behandlungskosten für ein ver­letz­tes Tier sind zu ersetzen

Celle. Ein Tier mag wirt­schaft­lich nur wenig wert sein. Wird es ver­letzt, kann es sein, dass der Schädiger Behandlungskosten zu erset­zen hat, die den Wert des Tieres um ein Vielfaches über­stei­gen. Dies unter­strich der für Ansprüche aus Tierhalterhaftung zustän­di­ge 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle in einem Urteil vom 15. Februar 2023 (Az.: 20 U 36/20).

Der damals 24 Jahre alte Wallach des Klägers hat­te im Sommer 2019 einen wirt­schaft­li­chen Wert von etwa 300 Euro – ein Sachverständiger beschrieb ihn als „Weidekameraden“, der als „Gesellschafter“ für ande­re Pferde die­ne. Dieser Wallach floh damals vor einem Hund, der auf die Pferdekoppel gelau­fen war und das Pferd anschlie­ßend bis in den nächs­ten Ort ver­folg­te. Dabei stürz­te das Pferd mehr­fach und ver­letz­te sich schwer. Der Kläger ließ es für mehr als 14.000 Euro in einer Tierklinik ope­rie­ren. Bereits das Landgericht Verden hat­te die Halterin des Hundes ver­ur­teilt, die­se Behandlungskosten zu tra­gen. Die hier­ge­gen gerich­te­te Berufung der Beklagten hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts jetzt zurückgewiesen.

Er ent­schied zunächst, dass die Hundehalterin den gesam­ten Schaden erset­zen muss, obwohl der Schaden auch auf den eige­nen Fluchtinstinkt des Pferdes zurück­zu­füh­ren war. Das Pferd hat­te nicht etwa bloß auf­grund eines kur­zen Erschreckens gescheut und war dann weg­ge­lau­fen. Vielmehr wur­de es von dem Hund über die Koppel, über den Weidezaun und wei­ter auf der Straße bis in die nächs­te Ortschaft „auf das Äußerste“ getrie­ben. Diese von dem Hund aus­ge­hen­de Gefahr über­wog den eige­nen Verursachungsbeitrag durch das Pferd deutlich.

Weiter ent­schied der Senat, dass die Behandlungskosten voll­stän­dig zu erset­zen sind, obwohl sie den wirt­schaft­li­chen Wert des Tieres um das 49-fache über­stie­gen. Aufgrund der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf und schmerz­emp­find­li­ches Lebewesen ver­bie­tet sich eine streng wirt­schaft­li­che Betrachtungsweise. Vielmehr sind sämt­li­che Umstände abzu­wä­gen, unter ande­rem die Erfolgsaussichten der Behandlung, das Alter des Tieres und die Beziehung des Halters zu ihm. Hier war der Wallach das ers­te Pferd, das der Kläger erwor­ben hat­te und zu dem er von Anfang an eine beson­ders enge Bindung hat. Der Kläger hat das Pferd kurz nach des­sen Geburt gekauft und auf ihm das Reiten erlernt. Auch nach sei­ner akti­ven Reiterzeit hat er das Pferd wei­ter behal­ten und als Beistellpferd genutzt. Das Pferd war vor dem Unfall in einem sehr guten Zustand.

Das Urteil ist nicht rechts­kräf­tig. Die Entscheidung ist in anony­mi­sier­ter Form in der Niedersächsischen Rechtsprechungsdatenbank abruf­bar (voris​.wol​ters​klu​wer​-online​.de).