Doch ebendieses fast traumhafte Hundeleben ging ihm mittlerweile gehörig auf den Keks. Wenn alle nach Ihrer Pfeife tanzen, so fast gar kein Widerspruch erfolgt, nervt das. Und Mato nervte das so schlimm, dass er beschloss, sein Zuhause zu wechseln. Altersgenossen hatten ihm geraten, vorsichtshalber freiwillig in den Hundehimmel zu entfleuchen, bevor er noch hinterher ausgestopft bei Frauchen im Wohnzimmer landete. Weil die ihn doch so liebte. Damit er nie mehr von ihrer Seite wiche. Das Nicht-mehr-von-der-Seite-Weichen allerdings bedeutete in Matos Vorstellung die reinste Katastrophe. Wenn er daran dachte, wie toll seine verbotenen Ausflüge ohne Leittier immer gewesen waren. Und dann das erhebende Gefühl, wie sehr sie jedes Mal um ihn gebibbert hatte. Ach ja, es war schön gewesen. Aber sein Entschluss stand fest. Es war an der Zeit, in himmlische Pension zu gehen. Und er war sich sicher, dass jenes andere Leben, das ihn dort oben erwartete, mit Sicherheit noch aufregender würde. Wenn er nur an das in alle Ewigkeiten andauernde Jubelwauwau dachte. Apropos Ewigkeit: Was das wohl bedeutete? Ob man Teile davon fressen könnte? War bestimmt genug davon da.
Es war im Sommer. An einem besonders schönen Nachmittag. Die Sonne strahlte nur so vom blauen Himmel, die Vögelchen zwitscherten ihr fröhliches Lied. Mato spazierte in den Garten in seine Lieblingsecke, die sein ganzes Leben lang seine Lieblingsecke gewesen war. Direkt vor dem Gartenzaun, mit seinem Durchguck in praktischer Hundehöhe. Die alten Knochen wollten nicht mehr so richtig. Vorsichtig trippelte er ein paar Mal auf der Stelle, bevor er sich dann langsam niederlegte. Aufseufzend vor Wonne schloss er seine Augen, streckte sich der Länge nach aus. In der Absicht, sich einem genüsslichen Mittagsschlaf hinzugeben. Doch irgendetwas kitzelte ihn. Er zuckte mit dem Vorderlauf. Doch das Kitzeln dauerte an, machte ihn nervös, verhinderte ein entspanntes Einschlafen. Er trampelte ein wenig mit der Pfote über den Boden. Nutzte nichts. Stattdessen wurde das Kribbeln intensiver. Wut bemächtigte sich seiner. Konnte er denn nie seine Ruhe haben? Schließlich war er uralt und wollte abschalten. Das regte ihn auf.
Er blinzelte ins Tageslicht. Sein Blick blieb auf seiner Vorderpfote haften. Und dann war es um seine für ihn typische Gelassenheit geschehen. Was war das denn? So ein komisches Stöckchen. Es war doch gar nicht windig. Wieso aber huschte das dann so quer über sein Bein? Und hatte so viele Nebenstöckchen. Eigenartig. Er versuchte, das winzige Dingsbums mit der Nase anzustupsen. Oh nein, was war denn mit dem plötzlich los? Das wurde ja immer lebhafter!? Und dann kam ihm, welch ein Grauen, die Erleuchtung. Eine, auf die er gerne verzichtet hätte. Dieses inzwischen im 100 km-Tempo über sein Beinchen wuselndes Etwas war gar kein Stöckchen. Das war lebendig, gehörte eindeutig zur Gattung ‚Spinnchen’ und damit in die Nasenschublade ‚Horrorgeschöpf Nr. 1’. Da endlich zeigte sich, wenigstens in dieser Hinsicht, die Harmonie zwischen Frauchen und Hund. Es war streng genommen schwer auszumachen, wer eigentlich vor diesen Biestern mehr Angst hatte. Nur war Hund natürlich eines klar: Weiblichen Wesen gestand man das zu. Bei richtigen Frauen hatte das so zu sein (alle anderen waren wahrscheinlich im Grunde ihres Herzens Mannweiber!). Aber er als 56–58 cm-Schulterhöhe-Hündchen durfte es sich wirklich nicht anmerken lassen, dass er beim Anblick eines solchen Mikrogeschöpfes sich fast vor Bibern ins nicht vorhandene Höschen machte. Wo wäre dann sein Prestige geblieben? Im Bruchteil einer Sekunde einfach futsch! Und das wiederum wäre für ihn einer zweiten, dann weitaus tragischeren Horrorvorstellung gleich gekommen. Ein Eurasier wie er …und ohne sein über alles gehütetes Prestige!