Doch unterdessen war das Gefühl der Langeweile und des Überdrusses in ihm hochgestiegen. Mittlerweile 15 ¼ Jahre alt, hatte er wahrlich lange genug für sie den Wachhund und Beschützer gespielt. Postboten pflichtgemäß zur Sau gemacht, fremde Hunde vor der eigenen Türe stimmgewaltig zusammen gestaucht und die lästige Katzenbevölkerung zu dezimieren versucht. In dem Punkt hatte er sein Frauchen nie verstanden, dass die diese Kratzbürsten auch noch gern hatte. Seiner Meinung nach gaben die höchstens eine leckere Fleischmahlzeit ab. Wozu sonst sollten diese Dinger denn gut sein?
Nicht nur als Beschützer und Rohrspatz vom Dienst war er mehr als Spitze gewesen. Nein, sie hatten von ihrem Hund zusätzlich möglichst ausgefallene Streiche erwartet, um dann zu einem späteren Zeitpunkt mit stolzgeschwellter Brust vor ihren Freunden und Bekannten anzugeben, wie pfiffig doch ihr vierbeiniger Liebling wäre, dass er solches fertiggebracht hätte. Auch in der Beziehung hatte sich sein Frauchen stets voll und ganz auf ihn verlassen können. Ja, er lebte in der festen Überzeugung, in seinem Stadtteil der Streiche-König unter den Vierbeinern zu sein. Allerdings sagte er auch rundweg, dass es dazu unter seinem menschlichen Leittier keiner besonderen Raffinesse brauchte. Sein Frauchen zählte nämlich zur extrem gutmütigen Sorte. Die die Auffassung vertrat, sich keinen Gehorsamsroboter heranziehen zu wollen, sondern stattdessen einen Hund mit stark ausgeprägter, eigener Persönlichkeit. Und das wiederum hieß für Mato: “Fast alles darf man bei der. Nur nicht beißen!“ Das ‘fast alles’ hatte er nach Eigeninterpretation dieses tollen Wortes (klang wie Musik in seinen Lauscherchen) fein gründlich ausgebaut. Wie er ohnehin sein Leben lang in allem die Gründlichkeit in Person gewesen war. Und als immens weiser Hund sich erfolgssichere Methoden zunutze gemacht hatte, um in den für ihn wegen seiner Fast-alles-Aktivitäten dann doch oft sehr kritischen Situationen sein Frauchen trotzdem fest im Griff zu behalten. Das war wichtig. Grundvoraussetzung der Fortsetzungsgeschichte ihrer alle naselang widersprüchlichen Liebe. Wie?
Kulleraugenblick, Kopf schief legen, Pfote geben, Schwänzchen wackeln. Wurde die Lage extrem brenzlig, tauschte er den Durchschnittskulleraugenblick gegen einen routinierten Dackelblick aus. So betont langsam von unten nach ganz oben. Spätestens dann gehorchte Frauchen wieder umwerfend gut. Und er war seine Sorgen los.
Und selbst seine dritte, eigentlich vorrangigste Aufgabe hatte er nach anfänglichem Babysträuben mit wachsender Begeisterung erfüllt. Firma Steiff brachte ja schon darin äußerst tüchtige Stofftiere zur Welt. Doch, je älter Mato wurde, umso engagierter widmete auch er sich seinen Hausaufgaben im Fach „Schmusen“. Jedoch sorgte er, souverän wie er war, stets dafür, dass es ausschließlich dann dazu kam, wenn es Herrn Hund genehm war. „Nee, Frauchen, nicht, wann Du willst. Wie wäre es mit einer voraus gehenden Anfrage?“ Mato stellte einen diesbezüglichen Sprechstundenplan auf. Und konnte dann zu seiner größten Zufriedenheit registrieren: Das war ja toll. Sein Rudel war doch wirklich äußerst lernwillig.