Hannover. Hunde sind nicht nur beste Freunde der Menschen, sie können uns oft auch auf besondere Weise im Alltag helfen, sowohl seelisch als auch praktisch. Mit einer Serie zu verschiedenen Assistenz- und Rettungshunden möchte die Agila Haustierversicherung diese besonderen Tiere und die von ihnen erbrachten Leistungen würdigen. Der dritte Teil dieser Serie befasst sich mit dem sogenannten Mantrailing, einer der schwierigsten und anspruchsvollsten Methoden der Personensuche mit Hunden. Mantrailer suchen immer eine ganz bestimmte Person nur nach ihrem Individual-Geruch. Agila war beim Training der Rettungshundestaffel (RHS) Main-Kinzig des Bundesverbandes Rettungshunde e.V. dabei.
Samstagmorgen, 10 Uhr. Der Treffpunkt für das Training der RHS Main-Kinzig ist der Waldparkplatz hinter dem Sportgelände in Hanau-Steinheim. Es ist trocken, relativ warm und gelegentlich blinzelt sogar die Sonne durch die Wolken. Heute fängt ‚Ivy’ mit der ersten Mantrailing-Übung an. Die Altdeutsche Schäferhündin schaut aus ihrer Box im Auto neugierig auf die Vorbereitungen für die Übung. Diana, ebenfalls ein Mitglied der RHS Main-Kinzig, spielt die „vermisste Person“. Sie reibt ein Tuch an ihrem Hals, um es mit möglichst vielen Geruchspartikeln von sich zu versehen. Es reicht aber auch, den Geruchsgegenstand einfach kurz anzufassen, es könnte auch ein Stein oder eine Brille sein. Das Tuch wird in einem Glas verschlossen, damit es nicht durch andere Personen kontaminiert wird, und Hundeführerin Leonie bekommt es als Geruchsartikel für ‚Ivy’. Diana läuft in den Wald und versteckt sich.
Endlich darf ‚Ivy’ aus ihrer Box. Die Hündin wird dort hingebracht, wo die vermisste Person zuletzt gesehen wurde. Der Geruchsartikel wird dem Hund zum Schnüffeln hingehalten und die Suche startet. „Am Beginn des Einsatzes muss der Mantrailer schon eine der schwierigsten Aufgaben bei dieser Art der Personensuche meistern“, erläutert Doris Schröder, Ausbilderin der RHS Main-Kinzig. „Er muss deutlich machen, in welche Richtung die vermisste Person gelaufen ist. Wenn sie gar nicht am Sichtungspunkt war, muss der Vierbeiner es dem Hundeführer mit einem sogenannten Negativ anzeigen. Die meisten Tiere machen das, indem sie sich hinsetzen.“
Eine andere Schwierigkeit direkt am Beginn der Suche sind Personen, die den Geruchsartikel kontaminiert haben, zum Beispiel untersuchende Polizisten oder Pflegepersonal in einem Seniorenheim. Sehr oft werden ältere Menschen aus Pflegeeinrichtungen gesucht. Wurde der Geruchsartikel bereits kontaminiert, müssen der betreffende Polizist oder die Pflegekraft beim Anriechen des Hundes in der Nähe stehen, damit der Vierbeiner sie als vermisste Person direkt ausschließt.
Solche Aufgaben erhält ‚Ivy’ bisher nicht, sie hat ihre Ausbildung zusammen mit ihrer Besitzerin Leonie erst vergangenes Jahr begonnen. Dass die dreijährige Hündin als Mantrailer geeignet ist, stellt sie auch heute wieder eindrücklich unter Beweis. Hundeführerin Leonie legt ‚Ivy’ am Ausgangspunkt der Suche das Trailgeschirr an, so versetzt sie die Hündin in den Arbeitsmodus. ‚Ivy’ schnüffelt kurz am Geruchsartikel im Glas mit Dianas Geruch, schüttelt sich und senkt sofort die Nase auf den Boden. Sie folgt der Spur ohne Probleme. Bei Kreuzungen überprüft sie auch andere Abzweigungen kurz, korrigiert dann aber jedes Mal nach ein paar Metern und wählt die richtige. In kürzester Zeit ist Diana gefunden und ‚Ivy’ bekommt ihre Belohnung. Leonie ist mächtig stolz auf ihren vierbeinigen Liebling: „Das hat sie wirklich gut gemacht. Sehr viele Leute gehen hier mit ihren Hunden spazieren und deshalb wimmelt es am Wegesrand von spannenden Gerüchen, aber ‚Ivy’ hat konzentriert gesucht und sich nicht ablenken lassen.“ Ablenkung lauert für die Hunde praktisch überall. Sie zu ignorieren, ist eine der schwierigsten Aufgaben für die Tiere. Entsprechend werden die Übungen beim Training gestaltet.
Jetzt ist ‚Pegasus’ dran. Der sechsjährige Magyar Vizsla ist schon seit vier Jahren in der Staffel. Der Übungsablauf für ‚Pegasus’ ist der gleiche wie bei ‚Ivy’, allerdings ist dieses Mal eine sogenannte Verleitung dabei, die direkt auf der Spur steht. Sie heißt Sabrina und ist auch ein Mitglied der Staffel. Bei der Suche muss ‚Pegasus’ an ihr vorbei. Er darf sich nicht dazu verleiten lassen, bei ihr schon anzuzeigen und die Suche abzubrechen. Und das tut er auch nicht: Er schnüffelt nur kurz an ihr, schließt sie als vermisste Person aus und folgt weiter der Spur bis zum Ziel.
Für den zweiten Teil der heutigen Trainingseinheit wechselt die Gruppe vom Wald in die Stadt, also von Grün nach Grau im Fachjargon der Mantrailing-Ausbildung. Der Schwierigkeitsgrad wird erhöht, denn jetzt müssen die Hunde die Spur auch zum Beispiel durch Türen und Aufzüge verfolgen. Außerdem gibt es in der Stadt natürlich zahlreiche Verleitungen in Form von Menschen, anderen Hunden oder Verkehr. Alle drei Hunde, ‚Arya’, eine Deutsch Drahthaar-Hündin, ‚Marley’, ein Mischling, der bisher als Flächensuchhund gearbeitet hat, und ‚Diego’, ein Vizslador, erfüllen die Aufgabe mit Bravour. Ausbilderin Doris Schröder: „Die drei haben alle einen ausgeprägten Jagdsinn, Deutsch Drahthaar und Vizslador sind ja ursprünglich Jagdhunde und auch bei ‚Marley’ dürfte einer im Stammbaum sein. Den Jagdinstinkt brauchen sie auch, denn Mantrailing ist ja nichts anderes als eine Jagd, aber halt nicht auf Wild, sondern auf Menschen.
„Der Begriff „Mantrailing“ setzt sich aus den Wörtern „man“ für „Mensch“ und „trail“ für „verfolgen“ zusammen. Die aus den USA stammende Suchart wurde ursprünglich zur Verfolgung entlaufener Sklaven eingesetzt. Später verwendete man Hunde, um Straftäter oder vermisste Personen aufzuspüren. Der Jagdinstinkt alleine reicht aber nicht, um ein guter Mantrailer zu werden. Der Hund sollte auch ausdauerfreudig, nervlich belastbar und menschenfreundlich sein, außerdem grundsätzlich gerne arbeiten. Wichtigste Bedingung aber ist der Geruchssinn. Hunde mit sehr kurzer Nase sind deshalb weniger geeignet, obwohl auch sie natürlich viel besser riechen als wir Menschen. Ein Hund besitzt weit über 200 Millionen Riechzellen, während der Mensch nur etwa fünf Millionen hat. Diese überlegene olfaktorische Fähigkeit der Vierbeiner ermöglicht es ihnen, winzige Geruchspartikel wahrzunehmen und zu verfolgen, selbst über große Distanzen und unter schwierigen Bedingungen. Hinzu kommt, dass Personenspürhunde eine Geruchsspur noch Tage später erschnüffeln können.
Sind die Grundvoraussetzungen erfüllt, liegt aber immer noch ein weiter Weg zum ausgebildeten Mantrailer vor den Tieren und ihren Hundeführern. Die Ausbildung dauert etwa drei bis fünf Jahre, ist sehr vielfältig und am Ende stehen drei schwierige praktische Prüfungen sowie die Sichtung durch die Polizei. „Das Training findet dreimal die Woche, Sommer wie Winter, statt. Hundeführer müssen vor allem lernen, die Zeichen ihrer Vierbeiner zu deuten und entsprechend zu reagieren. Sie beobachten die Rute, die Ohren und die Körperhaltung der Hunde und lernen, zu lesen, was sie uns mitteilen wollen. Außerdem müssen alle Hundeführer beim Bundesverband Rettungshunde eine Ausbildung als Suchtrupphelfer absolvieren. Diese beinhaltet den Umgang mit Karten, Kompass, GPS und Funk sowie Erste-Hilfe-Kurse, Trümmerkunde und Einsatztaktik. All das finanzieren wir selbst, es ist alles ehrenamtlich. Aber es lohnt sich auf alle Fälle“, beschreibt Doris Schröder ihre Motivation für das Mantrailing. „Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn der Hund eine vermisste Person findet und diese dadurch womöglich gerettet wird.“
Serie zu Assistenz- und Rettungshunden: