Hannover. Hunde sind nicht nur beste Freunde der Menschen, sie können uns oft auch auf besondere Weise im Alltag helfen, sowohl seelisch als auch praktisch. Mit einer Serie zu den verschiedenen Assistenz- und Rettungshunden möchte die Agila Haustierversicherung diese besonderen Tiere und die von ihnen erbrachten Leistungen würdigen. Der erste Teil dieser Serie befasst sich mit sogenannten Flächensuchhunden. Agila war beim Training der Rettungshundestaffel des ASB Oberschwaben-Nord im Landkreis Biberach dabei.
Es ist reinstes Aprilwetter: kalt, windig und regnerisch. Im kargen Waldstück neben dem Hunde-Trainingsplatz am Rand von Gutenzell-Hürbel fegt der Wind durch das üppige, raschelnde Unterholz. Ungemütlich. Ein Wetter, bei dem man sprichwörtlich keinen Hund vor die Tür jagt. ‚Rusty’, ‚Henry’, ‚Djuke’, ‚Cooper’ und ‚Milow’ interessiert das wenig. Sie lieben ihren Job und können es kaum erwarten, mit ihren Hundeführerinnen ihr wöchentliches Training als Flächensuchhunde zu absolvieren. Donnerstags und samstags – jede Woche, egal bei welchem Wetter – probt die Staffel den Ernstfall.
Der Rettungshundezug kommt zum Einsatz, wenn eine Person vermisst wird und zuletzt in der Nähe einer größeren Fläche, wie einem Waldstück, gesehen wurde. In diesem Fall werden sie von der Polizei über die zuständige Leitstelle alarmiert. Jeder Hund bekommt dann eine Fläche zwischen 20.000 und 50.000 Quadratmeter zugeteilt, die er nach Menschen absucht. Die Größe der zugeteilten Fläche ist abhängig davon, wie laufstark, beziehungsweise weitläufig der Rettungshund ist. ‚Henry’ und ‚Milow’ zum Beispiel sind Border Collies, eine temperamentvolle und ausdauernde Rasse mit enormem Arbeitseifer. Sie können in kürzester Zeit große Flächen durchsuchen, was im Ernstfall entscheidend sein kann. Manchmal kommen allerdings auch sie zu spät, erzählt die Leiterin des Rettungshundezuges, Heike Hirt: „Vor etwa drei Monaten ist eine Suizid gefährdete Frau mit ihrem Baby weggelaufen. Die Frau konnte gefunden werden, aber für das Baby kam leider jede Hilfe zu spät. Gott sei Dank passiert so etwas sehr selten. Wir werden durchschnittlich 20-mal im Jahr angefordert und in den vergangenen zehn Jahren haben wir insgesamt vier Personen nicht mehr helfen können.“
Erfreuliche Erlebnisse kommen glücklicherweise häufiger vor. So zum Beispiel, als Heike Hirt und ihr Team vor einiger Zeit in Laupheim angefordert wurden. Ein demenzkranker Mann war aus dem dortigen Krankenhaus in ein angrenzendes Waldstück gelaufen. Von 2 bis 4 Uhr nachts suchte die Hundestaffel in äußerst unzugänglichem, dicht bewachsenem Unterholz bei sehr niedrigen Temperaturen, bis ‚Henry’ den spärlich bekleideten Mann noch rechtzeitig fand. Er war im Dickicht gestolpert und konnte nicht mehr alleine aufstehen. Der Hund schlug an und bellte, wie er es gelernt hat, solange, bis Heike Hirt bei ihm war und dem Mann helfen konnte.
Dieses Anzeigen eines Verunglückten durch kontinuierliches Bellen, bis die Hundeführerin oder der Hundeführer an der Unglücksstelle ankommt, wird bei jedem Training geübt. Es ist Hauptbestandteil der rund zweijährigen Ausbildung von Flächensuchhunden. Heute spielt Ilona Pfeiffer, die dem Rettungshundezug bei Einsätzen und im Training als Helferin zur Verfügung steht, das „Opfer“. Sie legt sich auf dem Hundeübungsplatz auf eine Matte. Heike Hirt, die Besitzerin von ‚Henry’, zieht ihm seine Kenndecke an, ein Geschirr, an dem eine kleine Glocke als akustisches Orientierungssignal und ein Licht befestigt sind, weil die Einsätze meistens nachts stattfinden. Die Kenndecke dient ihm als Zeichen für den Arbeitsmodus und zeigt unter anderem Jägern und Förstern, dass der Hund im Einsatz ist.
Sofort wird der siebenjährige Border Collie hoch konzentriert und scharrt sprichwörtlich mit den Hufen. Als Heike Hirt ihn von der Leine lässt, stürmt er auf Ilona zu, stellt sich vor sie und bellt so lange, bis seine Besitzerin kommt und ihn lobt. Als Belohnung spielt sie mit ihm mit einer Frisbeescheibe. „Das ist das Schönste für ihn, er würde jedes Leckerli für seine Scheibe liegen lassen“, kommentiert Conny Gruber, die das Training beobachtet hat, ‚Henry’s’ Hechten nach dem Frisbee. „Manche Hunde sind sogenannte Futterhunde, sie erhalten ein Leckerli als Bestätigung. Was auch immer es ist, das dem jeweiligen Hund am meisten Freude bereitet, es muss immer dabei sein, die Ausbildung zum Flächensuchhund erfolgt ausschließlich durch positive Bestätigung“, so Gruber weiter. Die gelernte Bürokauffrau engagiert sich bereits seit 13 Jahren beim Rettungshundezug des ASB Oberschwaben-Nord. ‚Cooper’, ihr elfjähriger Terrier-Mix, geht bald in „Rente“.
Als Ersatz hat Conny Gruber den zweijährigen Border Collie ‚Milow’ zum Rettungshund ausgebildet. Sie erklärt, warum sie diese Hunderasse gewählt hat: „Border Collies eignen sich sehr gut als Flächensuchhunde. Zum einen sind sie mittelgroß, dadurch passen sie durchs Unterholz und können mit ihren mittellangen Beinen über weite Strecken schnell laufen. Und zum anderen sind es sehr ausdauernde und arbeitswillige Tiere.“ Das Training und die Einsätze sind teilweise wie Hochleistungssport. Durch das oft sehr unwegsame Gelände belastet es die Knochen und Gelenke der Tiere, für sehr große Hunderassen ist es deshalb ungeeignet. Auch Hunde mit kurzer flacher Nase, deren Riechintensität nicht so ausgeprägt ist, kommen als Flächensuchhunde nicht infrage, denn oft müssen die Tiere ja über weite Strecken einem Geruch folgen, um die vermisste Person zu finden.
Wie bei der nächsten Übung ersichtlich, suchen die Hunde allerdings nicht nach einem speziellen Geruch einer vermissten Person, sondern allgemein nach Menschlichem. Befinden sich weitere Personen in dem Waldstück, werden auch sie „gefunden“. Sehr deutlich wird das, als ‚Djuke’, der fünfjährige Mischling von Alexandra Pfeiffer, zur Suche einer vermissten Person in den Wald geschickt wird. Ilona Pfeiffer, das heutige „Opfer“, hatte sich zuvor im Unterholz versteckt. Ganz in ihrer Nähe verbirgt sich allerdings auch der Fotograf hinter einem Baum. ‚Djuke’ findet ihn zuerst. Als Alexandra ‚Djuke’ erneut losschickt, entdeckt der Mix aus Border Collie und Kromfohrländer die junge Frau im Unterholz auf Anhieb.
Zum wöchentlichen Training der Flächensuchhunde gehören auch Übungen an den Geräten, zum Beispiel auf dem Hochgerüst oder der Leiter. Die Hunde trainieren ihre Trittsicherheit und gleichzeitig stärken die gemeinsamen Übungen das Team in der Zusammenarbeit. Denn nicht nur die Hunde müssen fit und teamfähig bleiben, auch für die Hundeführerinnen und ‑führer ist die Mitgliedschaft in einer Rettungshundestaffel eine große Verantwortung und erfordert ständiges Training. Sie arbeiten übrigens alle ehrenamtlich und müssen alle Ausgaben, die rund um die Staffeltätigkeit entstehen, selbst tragen. Die Hunde sind beim Einsatz zum Beispiel mit GPS-Sendern ausgestattet, damit man genau nachvollziehen kann, wo sie schon überall gesucht haben. Die GPS-Geräte sind teuer, ebenso wie die Melder, die bei den Mitgliedern der Staffel zu Hause einen Einsatz ankündigen. Hinzu kommt, dass es keinerlei Aufwandsentschädigung gibt, obwohl die Staffel ja von der Polizei angefordert wird, und am nächsten Tag auch keine Freistellung von der Arbeit erfolgt, wie bei der Feuerwehr. Staffelleiterin Heike Hirt und ihr Team sind dennoch bereit, die Kosten und den Zeitaufwand zu tragen, um Menschenleben zu retten und auch, weil sie wissen, wie sehr ihre vierbeinigen Lieblinge ‚Rusty’, ‚Henry’, ‚Djuke’, ‚Cooper’ und ‚Milow’ ihren Job als Rettungshunde lieben.
Serie zu Assistenz- und Rettungshunden: